Berufsunfähigkeitsversicherung für Arbeitnehmer
Zwar keine Pflicht, aber ein Muss
Anja Glorius
13. Juni 2024
Bestreitest du deinen Lebensunterhalt zunächst und hauptsächlich als Arbeitnehmer Person, ist deine Arbeitskraft dein größter Reichtum. Hast du keinen weiteren Besitz (Erspartes, Einkommen aus Kapital oder Immobilien), um dein Leben finanziell unterstützen zu können, bist du dann auf ganz wenige Mittel angewiesen, falls du wegen Krankheit oder Unfälle deinem Beruf nicht weiter nachgehen kannst. Grund dafür ist, dass die gesetzliche Erwerbminderungsrente ziemlich niedrig ist und zwischen Berufstätigkeiten nicht unterscheidet: Kannst du irgendwelchen Job ausüben, dann bekommst du keine gesetzliche Erwerbsminderungsrente. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) versichert hingegen deine qualifizierte Arbeitskraft ab – beziehungsweise deine Fähigkeit, deinem Beruf nachzugehen. Wie sie funktioniert und wieso sie für Arbeitnehmer essenziell ist, erfährst du im Folgenden.
Was ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung?
Unter Berufsunfähigkeit versteht man den Fall, dass du aus Gesundheitsgründen deinen Beruf für länger als sechs Monate nicht ausüben kannst. Genau für diese Angelegenheit kommt eine Berufsunfähigkeitsversicherung auf – auch als BU, BUV BU-Versicherung bekannt. Ihre finanzielle Leistung besteht in einer monatlichen Rente, die dir gezahlt wird, solange der Versicherungsfall, das heißt die Berufsunfähigkeit, andauert.
Bedenke allerdings: Das Sozialgesetzbuch (SGB VI) unterscheidet zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit. Der Unterschied ist für dich als Arbeitnehmer extrem relevant. Berufsunfähig ist eine Person, die wegen Krankheit oder Behinderung nur für weniger als sechs Stunden in dem Beruf arbeiten kann, wofür sie ausgebildet wurde und den sie bisher ausgeübt hat. Maßgeblich ist also dein Hauptberuf. Unter Erwerbsunfähigkeit – oder verminderter Erwerbsfähigkeit – versteht man hingegen den Umstand, dass du nicht mehr in der Lage bist, überhaupt zu arbeiten. Kannst du nur bis zu drei Stunden arbeiten, spricht man von voller Erwerbsminderung. Eine teilweise Erwerbsminderung liegt vor, falls du zwischen drei und sechs Stunden arbeiten kannst.
Das heißt konkret für dich: Hast du bisher einen bestimmten Job ausgeübt, dem du wegen deiner Gesundheit nicht mehr ausüben kannst, giltst du trotzdem nicht als erwerbsunfähig, falls du einen anderen Beruf ausüben könntest. Die Wichtigkeit einer BU besteht genau darin, dich für den Fall zu versichern, dass du deinen Hauptberuf nicht mehr ausüben kannst.
Voraussetzungen der BU-Leistung
Kurz dargestellt, sind die Voraussetzungen für deine BU-Rente die folgenden:
Eintreten der Berufsunfähigkeit: Berufsunfähig bist du erst dann, wenn du deinem Hauptberuf für nur weniger als sechs Stunden nachgehen kannst.
Ärztliche Bestätigung: Die Berufsunfähigkeit muss ärztlich festgestellt werden. Die ärztliche Diagnose geht auf folgende Aspekte ein: die Art der körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung, die Minderung der Leistungsfähigkeit im Beruf, eine Prognose zur Dauer der Berufsunfähigkeit und zum weiteren Verlauf (Behandlung, Rehabilitationsmaßnahmen, Entwicklung).
Anerkennung durch den Versicherer: Die ärztliche Diagnose wird dann vom Versicherer geprüft, um festzustellen, ob die Umstände dem versicherten Fall entsprechen. Trifft das zu, erhältst du dann deine BU-Rente, solange du berufsunfähig bist.
Warum eine BU-Versicherung für Arbeitnehmer so wichtig ist
Der Gedanke, dass man nicht mehr arbeiten kann, ist vielen Menschen häufig fern. Der Beruf gehört zum Alltagsleben und es wirkt schwer vorstellbar, dass du nicht mehr arbeiten gehst. Überlege allerdings: Dein Beruf ist nicht bloß deine Alltagstätigkeit, sondern ist die Art und Weise, wie du deinen Lebensunterhalt bestreitest (falls du kein weiteres Einkommen hast, das dies ermöglicht). Die Fähigkeit, deinem Beruf nachzugehen, ist also dein Hauptbesitz. Ihr Preiswert über deine Lebenszeit ist hiermit womöglich dein größter Reichtum.
Diesen Umstand kannst du dir leicht veranschaulichen. Nehmen wir an, du bist 25 und verdienst bei deinem ersten Job 3.000 Euro brutto im Monat. Bis zur Rente – und selbst ohne Gehaltserhöhung, womit du allerdings rechnen könntest – ist deine Berufsfähigkeit 1.512.000 Euro insgesamt wert. Wenn du ein Auto versicherst, das 60.000 Euro wert ist, ist es umso sinnvoller, deine Arbeitskraft zu versichern.
Lohnt sich eine Berufsunfähigkeitsversicherung immer?
Für Arbeitnehmer ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung zwar keine Pflicht, stellt allerdings eine der wichtigsten Policen dar, die du freiwillig abschließen kannst. Der Grund dafür ist, dass die eigene Arbeitskraft für die meisten Menschen ihren wertvollsten Besitz darstellt. Es kann sich natürlich wenig lohnen, eine BUV abzuschließen, falls du etwas älter bist oder chronische und wichtige Vorerkrankungen hast. In diesen Fällen steigen die Tarifkosten, was den Abschluss einer BU-Versicherung weniger attraktiv macht.
Worauf du bei der Wahl einer BUV achten solltest
Überlegst du, eine BU-Versicherung abzuschließen, solltest du die folgenden Aspekte beachten:
Rentenhöhe: Selbstverständlich wird eine BUV viel günstiger, wenn du mit dem Versicherer eine niedrige Rente im Versicherungsfall vereinbarst. Bedenke allerdings: Es bringt dir wenig, jahreslang in einen BU-Tarif zu investieren, wenn du deinen Lebensstandard nicht behalten kannst, falls du berufsunfähig wirst. Dafür solltest sorgfältig die Kosten einschätzen, die du im Berufsunfähigkeitsfall unbedingt abgedeckt haben möchtest, sodass der Abschluss einer BUV sich lohnt.
Leistungsdynamik: Der Sinn einer BU-Versicherung besteht darin, dass du trotz deiner Berufsunfähigkeit deinen Lebensstandard behalten kannst. Steigt allerdings die Inflation über die Jahre, wird deine BU-Rente deine Bedürfnisse graduell nicht mehr abdecken können. Wähle dafür einen Tarif mit einer sogenannten Leistungsdynamik: So passt der Versicherer deine BU-Rente an die Inflation an.
Ohne abstrakte Verweisung: Dein BU-Tarif soll auf keinen Fall die Klausel „abstrakte Verweisung“ enthalten. Diese besagt, dass du keine BU-Rente bekommst, falls du einem anderen Beruf als deinem aktuellen nachgehen kannst.
Die Gesundheitsfragen
Weil die Berufsunfähigkeit aufgrund Krankheiten oder Behinderungen jeglicher Art entsteht, musst du erstmal den Versicherer über deinen Gesundheitszustand informieren. Deshalb musst du Gesundheitsfragen beantworten. Diese betreffen sowohl deinen körperlichen als auch deinen psychischen Stand. Obwohl sie je nach Versicherungsgesellschafts variieren können, kannst du mit Fragen rechnen, die OPs, chronische Krankheiten, psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungen betreffen (meistens innerhalb der letzten fünf Jahre). Dazu kommen auch noch Fragen zu deinen Alltagsgewohnheiten – zum Beispiel bezüglich Alkoholkonsums.
Bedenke, alle Fragen des Versicherers vollständig und wirklichkeitsgemäß zu beantworten. Davon hängen nicht nur die Kosten der BU-Versicherung ab, sondern auch, ob die Versicherung überhaupt leistet, falls der Berufsunfähigkeitsfall eintritt. Hast du wichtige Informationen verschwiegen, entstehen für den Versicherer, wegen Verletzung deiner Anzeigepflichte, Sanktionsrechte gegen dich und wird keine BU-Rente gezahlt.
Die Kosten einer BU-Versicherung
Die Kosten einer BU-Versicherung kann man pauschal nicht kalkulieren. Sie hängen vielmehr von verschiedenen Faktoren ab, die auf die Kosten deines BU-Tarifs Einfluss haben. Diese sind zum Beispiel:
dein Alter beim Versicherungsabschluss
die vereinbarte Rentenhöhe
das Alter, bis zu dem die BU-Versicherung gelten soll
dein Gesundheitszustand
besondere Risiken, die mit deinem Beruf oder mit deinen Hobbys zusammenhängen
mehrWert Berufsunfähigkeitsversicherung
Häufig gestellte Fragen zur BU für Arbeitnehmer
Ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung überhaupt sinnvoll?
Ja, eine BU-Versicherung ist für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sehr sinnvoll. Der Grund dafür ist, dass ohne weitere Schutzmaßnahmen Arbeitnehmer auf ihrer Lohnarbeit angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Die staatlichen Mittel, um Armut zu vermeiden, nämlich die Erwerbminderungsrente, sind zu niedrig, um dir einen guten Lebensstandard abzusichern. Mit einer BUV sicherst du deine Arbeitskraft ab.
Kann ich eine BUV bei chronischen Krankheiten abschließen?
Die Frage lässt sich pauschal nicht beantworten. Du musst für dich entscheiden, ob der vom Versicherer vorgeschlagene Tarif für deine Bedürfnisse passend ist oder nicht. Bedenke allerdings, dass der Versicherer einen Leistungsausschluss dir vorschlagen kann: Wenn die Berufsunfähigkeit aufgrund der nicht versicherten chronischen Krankheit eintritt, zahlt dir der Versicherer keine BU-Rente.
Wird die Rente der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet?
Nein. Die private BU-Rente ist eine zusätzliche Leistung zur Erwerbsminderungsrente.