Mario Lochner: Heute geht es nicht um die klassische Portfolio-Perspektive, sondern um eine andere Asset-Klasse, die natürlich auch in dem ein oder anderen Portfolio sicherlich vertreten ist. Es geht um Immobilien und da bist du auch tief drin.
Du hast da auch schon viele Studien gemacht. Jetzt die spannende Frage: Wie schätzt du Immobilien gerade ein? Aber ich würde dich zu Beginn gerade mal fragen: Man munkelt, dass hinter den Kulissen viele Experten sagen “Uh, da hat sich der wind ein bisschen gedreht”, “da wird viel verkauft” oder eben auch nicht mehr so gut verkauft, weil schon schwierig wird. Sind Immobilien aus deiner Sicht momentan vielleicht das schlechteste Investment?
Andreas Beck: Also Immobilien sind nicht nur irgendeine Anlageklasse, sondern gerade bei Vermögenden Menschen ist es mit Abstand die dominante und wichtigste Anlageklasse, insofern beschäftigen wir uns natürlich schon lange damit. Das schlechteste Investment ist es, würde ich sagen, nicht. Also, es gibt so den ein oder anderen nft, der definitiv schlechter ist. Aber was wir sehen auf der Kundenseite ist, dass sehr viel verkauft wird und dass das Verkaufen zunehmend schwierig wird. Also die Umsätze gehen deutlich zurück, weil die Käufer nicht mehr bereit sind, die Preise zu zahlen, die gerne aufgerufen werden und insofern ist es im Moment ein Markt, wenn ich wirklich etwas kaufen möchte, wo es wahrscheinlich sinnvoll ist, damit noch zu warten.
Mario Lochner: Also, es wird langsam zum Käufermarkt,. Der Wind dreht sich. Es gibt mittlerweile viele Statistiken, auch aus den USA, wo sie gesagt haben, dass die Preise immer weiter runter genommen wurden, weil es eben nicht wegging . Viele Experten haben das schon ganz klar gesagt, dass sich quasi jetzt alles vom Verkäufermarkt in Richtung Käufermarkt dreht.
Andreas Beck: Unsere Arbeiten, unsere Studien, die wir dazu gemacht haben, sind vor allem auf die Frage bezogen, ob Immobilien langfristig noch ein sicheres Investment sind. Wir haben, glaube ich, das erste mal 2005 angefangen, dass wir das berechnet haben. Das große Thema bei uns ist die Wohnflächennachfrage, die der eigentliche Treiber von der Immobilienpreisentwicklung ist. Die Wohnflächennachfrage wird demografisch bedingt ab 2025 anfangen zu schrumpfen und zwar mit zunehmender Dynamik. Die Wohnflächennachfrage sagt aus, wie viel Wohnfläche verbraucht wird und das ist der eigentlich wirklich planbare, dominante Treiber, der die Kurse bestimmt am Immobilienmarkt. Jetzt gibt es aber viele Sondereffekte, die dann noch mit reinspielen und kurzfristig großen Einfluss haben. Der wesentlichste Sondereffekt in den letzten zehn Jahre war mit Sicherheit die Nullzinspolitik. Ich habe zehn Jahres Hypotheken bekommen für eine Umlaufrendite von unter einem Prozent. Das waren so die durchschnittlichen Kosten für eine Fremdfinanzierung einer Immobilie. Aus dem Blickwinkel hatte es sich auch noch gerechnet, auf dem Papier zumindest, wenn ich als Vermieter Mehrfamilienhäuser gekauft habe mit einer Mietrendite von zweieinhalb – drei Prozent vor Abschreibungen. Das war schon knapp, weil die Abschreibung zu berücksichtigen ist. Das Haus verliert an Wert, das Dach muss ausgetauscht werden, das sind Dinge, die ich berücksichtigen muss, wenn ich die Mietrendite nehme. Die muss ich dann gegen meine Finanzierungskosten rechnen und da muss das übrig bleiben. Nun sind die Finanzierungskosten stark gestiegen, die Zinskurve ging nach oben bei Hypothekenzinsen. Wir sind derzeit bei drei Prozent. Jetzt rechnen sich diese Häuser zu den jetzigen Bewertungen nicht mehr. Man kann das so formulieren: Der ganze Vermietermarkt, der Mehrfamilienhäuser gekauft hat oder Eigentumswohnung gekauft hat, um sie zu vermieten, ist weggefallen, weil es sich bei den jetzigen Bewertungen, den jetzigen Mietrenditen und den jetzigen Zinskosten nicht mehr rechnet. Dieser ganze Käufermarkt hat traditionell sehr stark mit einer hohen Fremdfinanzierungsquote gearbeitet. Im Moment funktioniert der Markt bei Selbstnutzern. Ein schöne Haus in guter Lag oder eine schöne Wohnung, die jemand für sich selbst mit hohen Eigenkapitalanteil kauft, das funktioniert noch. Insgesamt sieht man aber, dass die Umsätze schon extrem geschrumpft sind. Wir sehen auch bei unseren Kunden, wenn jemand versucht Mehrfamilienhaus zu verkaufen, dass die Preise nicht mehr erzielt werden.
Mario Lochner: Aber jetzt mal unter uns: Bei der hohen Inflation, die auch nicht über Nacht komplett verschwinden wird und uns auch die nächsten Jahre noch begleiten wird; Wer verkauft seine Immobilie? Das gilt doch eigentlich als der Sachwert schlechthin.
Andreas Beck: Naja man verkauft die Immobilie und geht dann im Idealfall breit gestreut in den Aktienmarkt oder in sonstige Sachwerte. Man verkauft die Immobilie nicht und legt alles auf ein Konto. Das wäre kein gutes Geschäft. Aber ich würde vorschlagen, wir schauen uns einfach mal die Datenlage an, wie sie jetzt ist. Ich habe da ein paar Folien mitgebracht und da sieht man dann, warum die Zahlen jetzt gar nicht so einfach zu interpretieren sind. Die grundsätzliche Aussage “Langfristig haben wir ein Demografieproblem auf der Immobilienseite”, die ist richtig. Die Aussage “Es ist ein Risikoinvestment” ist auch richtig, aber es gibt auf jeden Fall sehr viele Daten, die sehr unterschiedlich interpretiert werden können. Das macht es insgesamt besonders schwierig die Gesamtlage zu bewerten.
Mario Lochner: Dann schauen wir jetzt mal rein. Wo du vielleicht auch ein bisschen deine Meinung geändert hast.
Andreas Beck: Ich habe hier als erstes den Chart mitgebracht, der zeigt, wie sich die Preise entwickelt haben bei Wohnimmobilien in den sieben größten Städten und insgesamt in Deutschland. Das ist die obere Grafik. Wie sich die Mietrendite, also die Mietpreisentwicklung, verändert hat, sieht man in der unteren Grafik. Da fallen erstmal zwei Dinge auf. Das Erste ist: Die Preise sind viel stärker gestiegen als die Mieten. Und das Zweite ist: Die Mieten sind noch viel weniger stark gestiegen, als es scheint. Das, was wirklich teurer geworden ist, sind die neuen Mietverträge, aber aufgrund der Rechtslage mit dem Mieterschutz sind die Bestandsverträge viel geringer gestiegen und der Großteil hat Bestandsmietverträge. Die wirkliche Mietrendite, die Investoren auf der Immobilienseite haben, das sind nicht diese gestiegenen Kurven der neue Mietverträge, sondern das ist diese ockerfarbene Linie. Insgesamt gesehen kann man sagen, dass die Immobilienpreise doppelt so stark gestiegen sind, wie die Mieten angezogen wurden.
Mario Lochner: Ist das ein Zeichen für eine Blase?
Andreas Beck: Na ja, in Wirklichkeit ist die Rentabilität für die Investoren fantastisch gewesen. Das fängt 2004 an, da kostete eine zehn Jahres Hypothek viereinhalb Prozent. Jetzt sind wir bei einem Prozent. Wenn ich das in eine Gesamtkostenbetrachtung nehme, mit meiner tatsächliche Rendite (Einnahmen minus Finanzierungskosten), dann waren Immobilien sehr attraktiv und die Preise waren in gewisser Hinsicht gerechtfertigt. Das ist immer heikel, weil natürlich kann man sich alles schön rechnen und es war schon klar, dass man als Immobilienkäufer damit rechnen muss, dass die Zinsen wieder steigen. Das darf mich nicht ins schiefe Fahrwasser bringen. Die Bewertungen waren schon sehr abhängig davon, dass die Zinsen langfristig so niedrig bleiben. Diese Wette ist man halt eingegangen. Aber jetzt kommen wir zum eigentlichen Thema, zu einem Problem. Wenn wir jetzt auf der nächsten Folie mal sehen: Die Entwicklung der Geburtenraten in den verschiedenen Bundesländern. Da sieht man unterschiedliche Farben 2000, 2011 als Beispiel. Interessanterweise ist es nicht konstant. Aber man kann sagen, im Schnitt laufen wir darauf hinaus, dass wir so 1,4 bis 1,5 Kinder pro Frau haben. Das ist schon seit 1970 so eine Zahl, an der man sich orientieren kann und das bedeutet, dass wir pro Generation um fast ein Drittel schrumpfen. Man bräuchte 2,1 Kinder pro Frau, damit wir pro Generation “gleich bleiben” würden.
Mario Lochner: Das ist also ein stabiler Trend. Da tut sich nicht viel.
Andreas Beck: Genau. Den Effekt hat man aber nicht gesehen, weil wir auch immer älter werden. Diesen Effekt hat man im Immobilienmarkt auch nicht gesehen aufgrund des Remanenzeffekts, aber das ist etwas was jetzt eben ab 2025 in den Zahlen durchschlagen muss. Das ist keine Prognose, sondern die Zahlen die sind einfach da. Das muss durchschlagen.
Mario Lochner: Also dass ich dann weniger Wohnflächennachfrage habe?
Andreas Beck: Genau. Gleichzeitig hat natürlich auch den Neubau stark angezogen. Das ist die andere Seite der Medaille. Bei Einfamilienhäusern interessanterweise geringer. Also, wenn man die letzten zehn Jahre betrachtet, haben wir immer so hunderttausend Neubauten im Jahr, aber Mehrfamilienhäuser haben sie verdreifacht von 50.000 auf 150.000. Wir haben jetzt sozusagen hier dieses demografische Phänomen und haben sehr stark Neubau und eine extrem hohe Bewertung der Immobilie.
Mario Lochner: Vielleicht dazu noch ein interessanter Punkt. Ich vor kurzem auch gehört, dass die Immobilienpreise immer weiter steigen müssen, weil es also attraktiv ist und weil da immer mehr Leute reingehen in diese Branche. Aber das ist ja eigentlich genau das Gegenteil oder? Das ist ja so klassische Marktwirtschaft. Eine Branche ist gut gelaufen, zieht immer mehr Leute an und dann wird natürlich auch das Angebot gesteigert, weil da natürlich sehr viele reinwollen und merken, dass das attraktiv ist. Was dann langfristig die Preise wieder drückt, weil es dann einfach mehr Angebote, mehr Wettbewerb gibt oder?
Andreas Beck: Der Immobilienmarkt ist sehr wenig flexibel. Das ist eben schon ein Punkt, wenn die Nachfrage steigt in bestimmten Regionen, dauert es ewig bis das Angebot nach zieht. Das ist sehr zeitversetzt.
Mario Lochner: Aber das haben wir durchaus schon gesehen in letzter Zeit.
Andreas Beck: Darauf möchte jetzt noch mal eingehen in der nächsten Folie. Das ist dieser sogenannte Remanenzeffekt. Das ist der Grund, warum wir schon in den Studien 2015 wissen konnten, dass es jetzt zu einer deutlichen Preissteigerung und einer deutlich zugenommenen Nachfrage nach Wohnraum in den Städten in Deutschland kommt und warum das jetzt aber in 2025 bricht. Wir schauen uns dafür einen relativ aktuellen Bevölkerungsbaum an, den kennt wahrscheinlich jeder noch aus verschiedenen Darstellung in der Presse oder vielleicht aus der Schule. Man sieht diesen Baum und man sieht halt hier das Lebensalter von null bis 100 bei Männern und Frauen. Hier sieht man umso breiter das Feld, umso mehr Menschen sind jetzt in dieser Kohorte. Was man jetzt sehen kann, sind diese geburtenstarken Jahrgänge. Das ist das Alter 53 bis 60. Jetzt haben wir folgenden Effekt: Die geburtenstarken Jahrgänge haben sich nach dem Auszug beruflich verwirklicht, haben Familien gegründet, wenn sie sich leisten konnten, dann haben sie ein Reihenhaus gekauft oder ein Einfamilienhaus. Dann hat man ein, zwei, drei Kinder bekommen und hat an- oder umgebaut. Jetzt wohnt diese Generation in 180, 200, 220 Quadratmeter Häusern in extrem teuren Lagen wie im Münchener Süden zum Beispiel Solln und die Kinder ziehen aus. Es kommt also eine Phase, in der die Kinder der geburtenstarken Jahrgänge ausziehen, die zwar relativ gesehen wenig waren, aber dennoch ein Bevölkerungsschub. Das sieht man auch hier wieder schön an dem Baum: Nach den geburtenstarken Jahrgängen geht es so stark runter und dann kommt aber noch mal sowas wie ein kleine Wölbung. Das sind die Kinder der geburtenstarken Jahrgänge und die haben eben jetzt in den letzten zehn Jahren das Alter gehabt, wo sie von zuhause ausziehen.
Mario Lochner: Das wäre ich jetzt eigentlich so.
Andreas Beck: Genau, meine Kinder auch. Alle drei sind ausgezogen und was haben sie gemacht? Die haben Wohnfläche nachgefragt. Wo? In Städten, wo es Universitäten gibt, wo es Ausbildungen gibt und wo es Arbeit gibt. Was haben die Eltern gemacht? Was haben deine Eltern gemacht?
Mario Lochner: Ja nichts. Die wohnen im Haus.
Andreas Beck: Genau, wir wohnen jetzt natürlich in dem Haus mit fünf leeren Zimmern.
Mario Lochner: Klar und 60 ist noch nicht so alt, aber natürlich macht man sich dann Gedanken. Was ist in zehn Jahren? Will ich dann das Riesenhaus? Man muss alles putzen und das braucht man ja alles nicht.
Andreas Beck: Ja und das nennt man den Remanenzeffekt. Dass alte Menschen, wenn die Kinder ausziehen und sie können es sich leisten, gerne in ihrer Umgebung wohnen bleiben. Und viele können sich das leisten. Deswegen ist jedes zweite Haus in Münchener Süden nur noch von ein oder zwei Personen bewohnt, die schon in einem höheren Alter sind. Die Kinder sind ausgezogen und haben Wohnfläche nachgefragt. Die war nicht da. Deswegen diese Wohnungsknappheit in den Städten und deswegen diese extreme Nachfrage, die nicht bedient wurde und die gestiegenen Preise.
Mario Lochner: Und das soll jetzt quasi ab 2025 kippen?
Andreas Beck: Ja, meine Kinder wohnen jetzt schon. Du wohnst wahrscheinlich auch schon. Also die Kinder der geburtenstarken Jahrgänge sind jetzt schon mit Wohnraum versorgt. Gut, bei den würden sich vielleicht noch welche gerne vergrößern und vielleicht würde man noch gerne zentral wohnen. Das hängt davon ab, wie man sich beruflich entwickelt und ob man sich das leisten kann. Aber grundsätzlich ist der große Schub jetzt versorgt. Wir haben jetzt übrigens auch drei Prozent aktiven Leerstand an Wohnraum. Das heißt, in ländlichen Regionen, wo Leute wegziehen gibt es jetzt schon das Problem. Jetzt fängt es dann an zu kippen. Jetzt wird demografiebedingt immer mehr Wohnraum auf den Markt kommen und die Nachfrage in dem Sinne ist nicht mehr so da wie früher. Damit habe ich jetzt diesen umgekehrten Effekt.
Mario Lochner: Also müssen die Preise eigentlich fallen, wenn man jetzt mal von nur sich diesen Punkt anschaut? Ist ja logisch weniger Nachfrage, mehr Angebot.
Andreas Beck: Als wir die Studie das letzte mal im Detail gerechnet haben 2015, war die Datenlage relativ eindeutig. 2015 kam dann die Einwanderungswelle. Diese relativ unkontrollierte Einwanderungswelle von knapp einer Million Menschen. Das war in den Planungen nicht vorgesehen. Es gibt Bevölkerungsstatistiken von den Bundesämter. Die Ämter wissen, dass es Zuzug und Abzug gibt. Daraus entstehen ganz verschiedene Szenarien, die berechnet werden und da gibt es ein Basisszenario. Das geht vielleicht von 200.000 netto Zuzug im Jahr aus. Dann gibt es noch extreme Szenarien, die von 400.000 netto Zuzuge im Jahr ausgehen. Aber dass auf einen Schlag 800.000 Menschen kommen oder 900.000 (jetzt mit dem Ukraine Krieg noch mal 1,2 Millionen) das ist in diesen Plan nicht vorgesehen und wo wollen die hin? Die wollen alle in die Stadt. Das hat dazu geführt, dass wir diese Berechnungen nicht mehr im Detail fortgesetzt haben, weil kein Mensch weiß, wie es weitergeht. Kein Mensch weiß, ob die bleiben? Wer ist nicht gekommen? Wer darf denn dauerhaft bleiben? Wie geht es weiter? Das ist nicht sichtbar. Ich habe hier mal eine Grafik mitgebracht, auch vom statistischen Bundesamt, wo man mal sieht, was das für eine Varianz angenommen hat. Das ist die letzte verfügbare, die von 2021, das heißt 2022, der Ukrainekrieg ist noch gar nicht dabei, aber da sieht man diese Peaks an Einwanderung. Jetzt kann man sagen “Wird stabilisierend wirken auf den Immobilienmarkt”, das muss man aber wirklich ganz vorsichtig sehen. Ich behaupte, kein Mensch weiß, wie sich das auswirkt, weil die Art der Wohnflächennachfrage ist eine andere. Bis jetzt wirkt diese Art von Zuwanderung nicht unbedingt preissteigernd.
Mario Lochner: Das wollte ich gerade sagen. Es ist ja auch nicht so, dass alle die kommen sofort was kaufen wollen. Das ist ja schon mal ein wichtiger Punkt. Das muss man sehr differenziert sehen.
Andreas Beck: Ja gut, Flächennachfrage ist erstmal das Wichtigste. Nichts ist schlimmer als ein leerstehendes Haus für einen Investor. Die Nachfrage habe ich auf jeden Fall. Das hat sicher auch positive Effekte, aber es hat nicht nur positive Effekte und insofern ist es sehr schwer zu bewerten. Richtig interessant wird’s jetzt, wenn ich das in Beziehung setze mit einem anderen Effekt, der schon lange da und bekannt ist. Die zunehmende Bereitschaft zur Binnenwanderung. Binnenwanderung heißt, du wohnst nicht da, wo deine Eltern gewohnt haben. Wo ist das bei dir so?
Mario Lochner: Meine Eltern wohnen in der Nähe von Rosenheim. Also das ist nicht sehr weit weg von München, aber es ist halt auch nicht dieselbe Stadt.
Andreas Beck: Da bist du nicht weit gekommen Mario.
Mario Lochner: Ne nicht wirklich, aber hier ist es ja auch ganz schön.
Andreas Beck: Ich wohne neben der Straße, wo ich aufgewachsen bin. Ich bin auch nicht weitgekommen. Aber es gibt auf jeden Fall eine viel höhere Bereitschaft zur Binnenmigration. Also zum Job, zur Uni, irgendwohin zu ziehen und da habe ich jetzt wirklich eine sehr überraschende Grafik auch ganz aktuell vom statistischen Bundesamt, die die verschiedenen Bundesländer zeigt. Die ist jetzt wie folgt zu lesen: Der gelbe Balken ist netto Zu- oder Abwanderung aus dem Ausland und der orangene Balken ist Zu- oder Abwanderung netto in der Binnenmigration.
Mario Lochner: Das heißt Berliner ziehen innerhalb von Deutschland lieber weg?
Andreas Beck: Berlin ist das Schlusslicht. Es ist nicht das erste Jahr so, aber es zeigt sich in der Tendenz zu verstärken. Berlin verliert Bevölkerung; vor allem deutsche Familien. Deutsche ziehen weg. Der ganze Zuzug ist ausschließlich noch über das Ausland. Das muss nicht nachteilig sein. Ist aber auf jeden Fall interessant zu beobachten. Das sieht man jetzt eigentlich relativ breit.
Mario Lochner: Baden-Württemberg zum Beispiel ist ähnlich wie Berlin.
Andreas Beck: Baden-Württemberg hat aber noch netto Zuzug. Auf jeden Fall ist es insbesondere aus unserer Perspektive interessant, wenn wir mit Investoren sprechen vom Berliner Immobilienmarkt, der ist eigentlich heikler, als er von außen aussieht, weil es schon das zweite Jahr hintereinander einen deutlichen Nettoverlust an ein Bevölkerungswachstum hat.
Mario Lochner: Hat sich das in den Preise schon gezeigt oder dauert das auch ein bisschen? Also hat es dann auch erst ein gewissen Nachlauf? Denn eigentlich ist es ja denkbar schlecht.
Andreas Beck: Es hat auf jeden Fall Nachlauf in Deutschland. Deutschland ist im Immobilienmarkt sehr konservativ aufgestellt. Das ist der Grund, warum es relativ lange dauert bis es zum Beispiel zu Zwangsversteigerungen kommt von Bauträgern. Deswegen ist das Erste, was man in den Daten immer sieht, dass der Umsatz einbricht und das sehen wir auch schon in Berlin.
Mario Lochner: Also in Berlin, wenn man über den Verkauf einer Immobilie nachdenkt, dann besser jetzt als wenn es zu spät ist?
Andreas Beck: Diese Demographie Thematik ist für den Staat enorm relevanten aus ganz vielen Aspekten heraus. Wenn wir uns das noch genauer anschauen, sieht man, dass es ab 30 Jahren bei allen Städten, also bei den sieben relevantesten Großstädten, nur netto Abzug gibt.
Mario Lochner: Das ist aber relativ überraschend oder? Wir haben ja eigentlich gelernt, dass alle in die Städte wollen.
Andreas Beck: Ja, aber sobald sie ab 30 Jahren eine Familie gründen, gibt es einen Zug wieder aus der Stadt raus. Nicht wirklich aufs platte Land. Wer profitiert, ist diese Speckgürtel um die Städte herum. Da gibt es den Zuzug. Wenn man sich die Bautätigkeit anschaut, ist dort ja auch besonders viel gebaut worden. Die Nachfrage wird definitiv bedient und das muss man im Blick haben, wenn man jetzt in Immobilien investiert. Es ist eine sehr langfristige Investitionen. Man muss diese demografischen Daten wirklich ernst nehmen. Wir werden immer älter und ab 30 haben wir dann einen netto Abzug und wo ziehen die hin? Aus der Stadt raus. Das ist wirklich ein Alarmsignal, um bei den jetzigen Bewertungen in den Städten noch zu kaufen.
Mario Lochner: Also wollte ich gerade sagen: Städte sind also eher kritisch, dann ist im Zweifel der Speckgürtel eher attraktiv.
Andreas Beck: Da wird aber auch extrem viel gebaut.
Mario Lochner: Dann haben wir das Problem wieder.
Andreas Beck: Da hab ich Bauland und insofern muss man einfach insgesamt sagen: Der Markt hat jetzt eine goldene Zeit hinter sich. Die bröckelt jetzt und wird von mehreren Seiten angegriffen. Es gibt unbekannte Variablen wie eben dieser Zuzug. Wie sich das auswirkt, ist unklar, aber ich würde es auf jeden Fall als hoch Risikoinvestment ansehen, wenn man bei den jetzigen Bewertungen noch auf der Käuferseite unterwegs ist.
Mario Lochner: Okay. Wo hast du jetzt konkret deine Meinung ändert? In der Vorhersehbarkeit. Also du hast quasi jetzt gemerkt, dass es noch mehr Faktoren gibt, die da rein spielen. Dass es einfach sehr schwer zu prognostizieren ist, aber dass die Risiken auf jeden Fall nach wie vor sehr hoch sind.
Andreas Beck: Genau. Die Risikolage hat sich auf jeden Fall so entwickelt, wie wir das befürchtet haben. Der tatsächliche Markt hat sich natürlich besser entwickelt, weil wir in den damaligen Berechnungen nicht davon ausgegangen sind, dass ich mich mal für 0,6 Prozent auf 10 Jahre verschulden kann bei einer Hypothek, aber das ist ja sowieso ein temporärer Effekte. Sehr viel wird davon abhängen, wie es jetzt weiter mit der Migration weitergeht.
Mario Lochner: Was, wie wir gesehen haben, unberechenbar ist.
Andreas Beck: Aber es ist jetzt auch nicht das erste mal, dass Städte wieder schrumpfen. Zum Beispiel München hat einen Boom bis so 1972 gehabt. Zwischen 1972 und 1998 hat München 160.000 Einwohner verloren.
Mario Lochner: Dementsprechend schlecht waren die Immobilienpreise. Also vom Boom war damals nichts zu sehen.
Andreas Beck: Ja, München hat 14 Prozent seiner Einwohner verloren in diesem Zeitraum und das hat einen enormen Druck auf die Immobilienpreise gehabt. Auch in anderen Ländern wie Spanien, Dänemark hat man schon gesehen, dass die Immobilienmärkte nicht so robust sind, wie sie wirken. Es ist nicht Betongold. Die Märkte sind einfach wahnsinnig träge und wenn die Wohnflächennachfrage steigt, kann ich außerordentlich hohe Gewinne machen, weil das Angebot nicht so schnell nachzieht. Aber wenn sie fällt, habe ich ein Problem. Wenn sich irgendwo Leerstand ausbreitet, wird es auch ganz schwierig für die Märkte, da wieder ein neues Gleichgewicht zu finden.
Mario Lochner: Da können wir ja mal kurz auf diesen Chart mit Dänemark und Spanien schauen. Hier ist nach der Finanzkrise interessant, dass es nicht so sicher planbar ist. Das kann auch sehr schnell nach hinten losgehen.
Andreas Beck: Ja, ich habe hier zwei Länder aus dem Euroraum, wo auch wahnsinnig viel gebaut wurde und die demografisch ähnlich aufgestellt sind wie Deutschland. Da sieht man zumindest mal eine starke Volatilität in der kurzen Zeit. In Deutschland war die Volatilität in der Vergangenheit nicht so hoch. Die Einbrüche gingen über eine längere Zeit. Interessant ist hier natürlich auch, wie schnell es sich wieder entwickelt hat. Was aber dann rein aus dieser Zinsthematik zu erklären ist. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich der Immobilienmarkt verändert hat als eine neue Variable hinzugekommen ist. Durch die Migration, die weit über den 400.000 Menschen in den einzelnen Jahren liegt. Das ist ein neuer Parameter. Der kann sich auf verschiedenste Art und Weisen auswirken. Das heißt, ich habe eine höhere Unsicherheit in den Prognosen, aber insgesamt ist es so, dass es ein Risikoinvestment ist und wenn man für den Eigenbedarf kauft, ist es natürlich immer was anderes. Vor allem, wenn man sich leisten kann und dafür nicht eine hohe Hypothek aufnehmen muss. Da ist es einfach eine ganz persönliche, emotionale Entscheidung, ob man diese Immobilie haben will oder nicht. Aber Immobilien zu kaufen, Mehrfamilienhäuser zu kaufen, um sie zu vermieten das ist wahrscheinlich für die nächsten Jahre ein ausgesprochen schlechtes Geschäft.
Mario Lochner: Das ist doch mal ein klares Fazit zum Ende. Andreas herzlichen Dank. Das hat mir wie immer großen Spaß gemacht.